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sid-lesung-texte-GG-Nichtbetroffenh Glenn Greenwald: Die globale Überwachung (engl. No Place to Hide), 2014

aus dem Kapitel 4: Die Gefahren der Massenüberwachung, S.278-279:

Natürlich haben pflichtbewusste, treue Anhänger des Präsidenten und seiner Politik, brave Bürger also, die nichts tun, was die Aufmerksamkeit der Mächtigen auf sie lenkt, keinerlei Grund, sich vor dem Überwachungsstaat zu fürchten. Das gilt für jede Gesellschaft: Wer den Mächtigen keine Probleme bereitet, wird selten das Ziel von Unterdrückungsmaßnahmen. So jemand kann leicht zu dem Schluss kommen, dass es gar keine Unterdrückung gibt. Aber die Freiheit einer Gesellschaft misst sich eben daran, wie sie mit Abweichlern und Randgruppen umgeht, nicht daran, wie sie ihre loyalen Mitglieder behandelt. Selbst in den schlimmsten Dikaturen der Welt sind die demütigen Unterstützer vor dem Missbrauch staatlicher Macht sicher. In Ägypten wurden unter Hosni Mubarak nur jene verhaftet, gefoltert und zusammengeschossen, die für die Absetzung des Präsidenten auf die Straße gingen, nicht seine Anhänger und jene, die schwiegen und zu Hause blieben. In den USA waren NAACP-Führer, Kommunisten, Bürgerrechtler und Kriegsgegner Ziel von Hoovers Überwachungssystem, nicht die braven Bürger, die soziale Ungerechtigkeiten schweigend hinnahmen.

Es darf aber nicht sein, dass sich nur die treuen Parteigänger der Mächtigen vor staatlicher Überwachung sicher fühlen können. Ebenso wenig darf der Verzicht auf die Äußerung abweichender oder Provokanter Meinungen Voraussetzung dafür sein, unbehelligt zu bleiben. Unser Ideal sollte nicht eine Gesellschaft sein, die allen vermittelt, dass sie nur dann in Ruhe und Frieden leben können, wenn sie sich das konziliante Verhalten und die altbekannten Weisheiten der Kolumnisten des Establishments zu eigen machen.

Doch egal zu welcher Gruppe man gehört - das Gefühl, nicht betroffen zu sein, ist eine Illusion. Das wird deutlich, wenn man sich anschaut, wie stark die Wahrnehmung der Gefahr staatlicher Überwachung von der politischen Einstellung abhängt. Dann stellt man nämlich fest: Wer gestern noch Beifall klatschte, findet sich vielleicht heute schon unter den Kritikern wieder.

Als es im Jahr 2005 zu einer Kontroverse über die ohne richterliche Anordnung durchgeführten Lauschaktionen der NSA kam, sahen progressive Kräfte und Demokraten in den Überwachungspraktiken des Geheimdienstes eindeutig eine Bedrohung. Dies resultierte zum Teil natürlich aus dem üblichen Parteiengezänk: Der Präsident hieß George W. Bush, und die Demokraten witterten eine Gelegenheit, ihm und seiner Partei politisch zu schaden. Aber ein großer Teil ihrer Furcht war echt: Das sie Bush als bösartig und gefährlich ansahen, empfanden sie auch die staatliche Überwachung unter seiner Kontrolle als Gefahr, von der insbesondere sie als politische Opposition sich bedroht fühlten. Demenstprechend hatten die Republikaner eine mildere oder sogar positive Sicht der NSA-Aktionen. Im Gegensatz dazu wechselten im Dezember 2013 die Demokraten und Progressiven ins Lager der führenden Verteidiger der NSA. [halte ich für entbehrlich]