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pzXzJtHbR3 Was sind gute Beteiligungsverfahren (Online & Offline)?

Betroffene zu Beteiligten machen – das hat sich die Landesregierung zum Ziel gesetzt. Bürgerinnen und Bürger sollen über neue Wege der Beteiligung stärker an politischen Entscheidungsprozessen teilhaben. Die Liste an etablierten Formaten der Beteiligung ist lang, z. B. Bürgerhaushalte, Zukunftsdialoge, Petitionen, Mediationen. Wie sieht aber das optimale Beteiligungsverfahren aus bzw. gibt es das überhaupt? Darum geht es in diesem Workshop.

Bürgerinnen und Bürger nutzen die Spielräume der repräsentativen Demokratie und suchen neue Formen der Partizipation. Seit einigen Jahren wird auch das Internet immer stärker für Beteiligungsverfahren als Plattform genutzt. So haben zum Beispiel Bürgerinnen und Bürger im Landkreis Friesland dank „Liquid Democracy“-Tools die Möglichkeit, besser auf kommunaler Ebene am politischen Entscheidungsprozess teilzuhaben. Was sind jedoch die einzelnen Vor- und Nachteile einzelner Beteiligungsverfahren – offline als auch online? Sind Beteiligungsverfahren auf alle Politikfelder anwendbar? Welche erfolgreichen Methoden und Modelle für Bürgerbeteiligung gibt es auf welcher Verwaltungsebene (lokal, regional, Landesebene (!) national, europäisch)? Lassen sich daraus Musterprozesse ableiten? Wie müssen gute Beteiligungsverfahren organisiert sein, damit sie auch zu einer konstruktiven Problemlösung führen? 
Diese und weitere Fragen sollen im Workshop „Was sind gute Beteiligungsverfahren (Online & Offline)?“ gemeinsam mit Ihnen erörtert werden. 

Als Experten sind geplant:

Moderator: Lars Gräßer

Für die Projektgruppe nehmen Eva Bertram (Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport) und Eva Lück (Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung) daran teil.

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Hinweis: In diesem Pad können Sie nachfolgend eigene Ideen und Anregungen für die Gestaltung des Workshops formulieren.
Sie kennen z.B. gute Beispiele oder haben konkrete Vorstellungen, wie o.g. Musterprozess aussehen könnte? Dann schreiben Sie sie ins Pad.
Bitte beachten Sie dabei aber unbedingt unsere Netiquette: http://www.nrw.de/opennrw/netiquette-1/
Eine kurze Anleitung zur Benutzung von EtherPads finden Sie hier: http://www.nrw.de/web/media_get.php?mediaid=26656&fileid=86438&sprachid=1


Anregung Diskussionsthema:
Es wäre interessant, die Frage insbesondere anhand systemtheoretischer Überlegungen zu durchleuchten. Es geht ja nicht nur darum, wie z.B. ein konkretes User Interface ausschaut, sondern auch, welche systemischen Auswirkungen bestimmte Kommunikations- und Abstimmungsstrukturen haben. Als Beispiel: eine klassische Delegationspyramide schafft Top-Down-Kommunikationsstrukturen, wodurch Meinungen eher nach unten als nach oben wirken. Dieses Problem ist z.B. in der Software Liquid Feedback durch Kettendelegationen gegeben. Oder auch: Welche Systeme begünstigen populistischen Einfluss auf Meinungen; wie können sich z.B. wissenschaftlich fundierte Argumente dagegen durchsetzen?
Thema Kettendelegationen würde mich auch brennend interessieren. 
Ja, das ist ein wichtiges Thema, das zur Sprache kommen sollte. In der Tat ist elektronisch-unterstüzte Bürgerbeteiligung ein sozio-technisches System, das neben der Software viele andere organisationale und prozessuale Herausforderungen mit sich bringt.

Praktische Erfahrungen des Landkreis Friesland mit https://www.liquid-friesland.de würden mich interessieren.

(tk) Anregung für Diskussion: 
Meines Erachtens muß zuerst die alles entscheidende Frage nach dem ZEITPUNKT des Einsetzens jedes Beteiligungsverfahrens gestellt werden. Die Qualität (sprich: "wie ernst wird der Bürger genommen?") hängt zuallererst davon ab, wieviele Vorentscheidungen ohne die Bürger bereits getroffen worden sind. Deshalb müßte "Beteiligung von Anfang an" unverzichtbare Vorbedingung für jedwedes GUTE Beteiligungsverfahren sein; welches dann konkret zum Einsatz kommt, ist eher sekundär und sicher pragmatisch unter den Beteiligten verhandelbar.
(Diese Erkenntnis kommt aus der Teilnahme an zahlreichen Planfeststellungen im Bereich Hochwasser und ist geprägt von der bitteren Erfahrung, bei jedem neuen Verfahren wieder von vorn anfangen zu müssen - so als hätte es keine gemeinsamen fruchtbaren Prozesse gegeben, die das Ergebnis verbessert haben...)

(tk) Ergänzung: Oder anders formuliert > Wie kann in den bisher bestimmenden Entscheidungszirkeln der Paradigmenwechsel eingepflanzt werden, daß Bürger*innen Partner (schon qualifiziert oder wenigstens qualifizierbar) sind und nicht auscchließlich lästige Querulanten und Störer???

Ein wichtiges Merkmal von guter Bürgerbeteiligung ist, dass alle Bürgerinnen und Bürger sich potentiell beteiligen können. Es sollte nicht passieren, dass Menschen ausgeschlossen sind, weil die Beteiligungsplattform und die notwendigen Verfahren sie schon von vorneherein ausschließen. Das ist eigentlich eine Grundvoraussetzung, die jedoch oft nur ungenügend berücksichtigt wird. So werden Menschen, deren Computerkenntnisse und online-Erfahrung nicht sehr entwickelt sind, möglicherweise genauso ausgeschlossen wie Menschen mit Behinderungen, die aufgrund von Barrieren bei der Gestaltung der Plattformen nicht teilnehmen können. Digitale Bürgerbeteiligung im Zeitalter der Inklusion bedeutet, dass die Wahrnehmbarkeit, die Bedienbarkeit, die Verständlichkeit und die Nutzung alternativer Ein- und Ausgaben bzw. Agenten sichergestellt sind. So ist es möglich, dass Menschen die schlecht sehen, blind oder gehörlos sind, die eine Maus nicht bedienen können, die Farbfehlsichtigkeiten haben, die ein komplexe Sprache schwer verstehen, die Hilfsmittel bei der Computernutzung einsetzen, usw. nicht von der digitalen Bürgerbeteiligung ausgeschlossen werden. 
Dieses Thema wird gerade bei interaktiven Kooperationsformen, aber auch schon bei der digitalen Information und Kommunikation oft nicht berücksichtigt. 
In NRW und darüber hinaus gibt es Richtlinien und Vorschriften, die Barrierefreiheit der IKT in NRW für die öffentliche Hand sogar vorschreiben. Grundlage bilden die VN-BRK, die Gleichstellungsgesetzte des Bundes und der Länder und die dazu gehörige BITV (NRW) und in Weiterführung der Landesaktionsplan "Eine Gesellschaft für alle - NRW Inklusiv". Technisch geht es um barrierefreie Informationstechnik (weitgehend auf der Basis der W3C WAI Richtlinien).
Man kann davon ausgehen, dass solche Probleme in der Regel durch ein geringes Bewusstsein der Verantwortlichen oder auch geringe Kenntnisse darüber entstehen. Sie lassen sich häufig gut vermeiden oder beheben, allerdings nur dann, wenn nicht eine untaugliche Plattform eingesetzt wird. Darum ist es so wichtig, dass diese Thematik von vorneherein mitbetrachtet wird. Dieser Workshop bietet ein geeignetes Forum, dies zu thematisieren. 

Meiner Meinung nach sind zwei Dinge unabdingbar. Erstens, dass versucht wird im Sinne eines Universellen Designs möglichst alle Gruppierungen, Interessenten, Menschen usw. zu erreichen. Zweitens, dass von Anfang an dieser Aspekt berücksichtigt wird.
Die aktuelle Situation ist  nicht ideal. Es gibt zwar eine gewisse Gesetzgebung in diesem Bereich (VN-BRK, BGG des Bundes und der Länder, BITV 2.0), aber diese sind sanktionslos und greifen zu kurz. Es gibt dort wenig Konkretes und Instrumente wie zum Beispiel das Verbandsklagerecht aus dem BGG ist als Feststellungsklage für die Verbände unattraktiv. 
Als Leiter der Meldestelle für digitale Barrieren mache  ich regelmäßig die Erfahrung, dass Barrierefreiheit angeblich zu teuer ist. Das geht so weit, dass mir eine, einem Bundesministerium nachgeordnete, Behörde mitgeteilt hat, dass man sich nicht an geltendes Recht (BITV 2.0) halten kann weil das zu teuer sei.
Wieso ist es zu teuer? In dem konkreten Fall geht es darum, dass Broschüren sowohl als Printmedien als auch als PDF Dokumente angeboten werden. Die PDF Dokumente sind allerdings nicht barrierefrei weil sie quasi ein "Abfallprodukt" aus dem Druckprozess sind. Barrierefreie PDF Dokumente müsste man also erst erzeugen, was mit einem gewissen Aufwand verbunden wäre. Hier greift mein zweiter Punkt. Wenn man von Anfang an die Bedürfnisse Aller berücksichtigt hätte gäbe es dieses Problem nicht! Für barrierefreie PDF Dateien gibt es einen internationalen Standard, den man bei einer Auftragsvergabe nennen kann. 
Es wäre wünschenswert wenn man sich bei der Bürgerbeteiligung nicht nur an geltendem Recht orientieren würde. Die BITV 2.0 fordert in der Anlage 2 auch Angebote in Gebärdensprache und Leichter Sprache. Diese Forderungen sind allerdings sehr übersichtlich. Wenn es allerding um Bürgerbeteiligung geht dann sollte man auch bereit sein die Deutsche Gebärdensprache, die Leichte Sprache oder andere Kommunikationsformen in stärkerem Umfang einzusetzen als das vom Gesetzgeber gefordert ist

Anregung für die Diskussion (Eva Bertram)
Der Zukunftskongress Bürgerbeteiligung ist im Prinzip schon als Beteiligungsverfahren der Landesregierung zu werten: die vorliegenden Eckpunkte der Strategie werden zur Diskussion gestellt und die Ergebnisse des Kongresses werden bei der weiteren Strategieentwicklung berücksichtigt und als solche kommuniziert. D.h. wir als Projektgruppenmitglieder erhoffen wir uns Input und Lösungsideen zur Umsetzung von Transparenz, Beteiligung und Zusammenarbeit.
Was mir deswegen bei der bisherigen Diskussion zu guten Beteiligungsformaten ein bisschen fehlt ist der konkrete Bezug zur Arbeit der Landesregierung. 
Die meisten (v.a. der erfolgreichen) on- und offline-Beteilungsformate finden jedoch auf kommunaler Ebene statt. Interessant für uns ist die Frage, welche Themen, Fragestellungen und Verfahren sich zu einer (Online-)Beteiligung auf Landesebene eignen und welches hier die Erfolgskriterien sind. 
 
Außerdem: ein guter Beteiligungsprozess aus dieser Perspektive heißt für mich persönlich dann auch die Integration von Bürgerbeteiligung in bestehende Prozesse und Verfahren und kein „ad on“ oder ein Parallelangebot zu etablierten Strukturen. In der Hoffnung, dass auch interessierte Beschäftigte der Landesregierung an dem Workshop teilnehmen, würde ich mich auch über eine Diskussion freuen die fragt, an welchen Stellen Politik und Verwaltung umdenken müssen (und wie) um den erforderlichen Paradigmenwechsel im politisch-administrativen System zu bewirken. Und umgekehrt: welche Akzeptanz und Toleranz kann von den sich beteiligenden Bürgern erwartet werden bei dem zu vollziehenden Kulturwandel?
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Ich kann nicht erkennen, wie die Anmerkungen im PAD in das Programm eingegangen sind.
Zunächst macht sich deutliche Enttäsuchung breit. Wenn es das gewesen sein soll, kann man Bürgerbeteiligung getrost abhaken. Ich überlege ernsthaft, mich wieder abzumelden. 

Moderator (Lars Gräßer): Die Anmerkungen und Diskussionen im PAD finden natürlich Eingang in die Gestaltung der Diskussionleitfragen für den Workshop bzw. werden hier aufgegriffen.

Kurze Bilanz aus dem erfolgreichen Beteiligungsverfahren zur Erarbeitung des "NRW-Aktionsplans für Gleichstellung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt - gegen Homo- und Transphobie" (Eva-Marie Frings): Der Beteiligungsprozess muss klar und verlässlich sein, d.h. von Anfang an muss transparent sein, welche Rollen- und Entscheidungsspielräume bzw. Verantwortlichkeiten es gibt und was mit dem Ergebnis geschieht. Gerade zu Anfang sind die Erwartungen der Beteiligten sehr hoch und häufig unrealistisch.
Im Ergebnis bringt die Beteiligung eine neue Qualität der politischen Abeit: Entscheidungen werden auf eine breitere Grundlage gestellt und nachvollziehbarer; kreative Ideen und Projekte, die oft vor Ort entstehen, werden einbezogen; Akteur_innen können im Prozess auch selbst Verantwortung übernehmen; Chance zu langfristig tragenden Ergebnissen besteht.
Probleme, die ich gerne diskutieren würde: 
Wie lässt sich der Prozess weniger aufwändig gestalten vor dem Hintergrund schrumpfender Personalressourcen?
Manche Diskussionsstadien brauchen "geschützte Räume".Wie können sie geschaffen und vereinbart werden?